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"Eme-sal" - ein sumerischer Dialekt

neben der eigentlichen sumerischen Sprache, dem "eme-gir":
Obwohl ein später lexikalischer Text eine Reihe von Dialekten (besser: Soziolekten) des Sumerischen auflistet, bleibt doch neben der Normalsprache eme-gi(r) nur der Soziolekt eme-sal greifbar, wenn auch nur in spätsumerischer literarischer Überlieferung. Diese Sprachform wurde hauptsächlich dann verwandt, wenn in literarischen Texten weibliche Wesen zu Wort kommen, während erzählende Teile und die Reden der Männer in der Normalsprache geschrieben sind. Die Hauptunterschiede zur Normalsprache sind eine teilweise lautliche Umgestaltung der Wortwurzeln und morphologischen Bildungselemente, aber auch der Gebrauch nicht im Hauptdialekt vorkommender Wörter (zum Beispiel mu-ud-na statt nital „Gemahl“, mu-tin statt ki-sikil „Jungfrau“). (wiki)
Emesal ist auf bestimmten literarische Texten beschränkt, insbesondere (Städte-)Klagen, göttliche Liebeslieder, Sprichwörter, ein "Wiegenlied" und ein paar mehr.
Insbesondere wenn in den Mythen die Göttin Inanna (babylonisch: Ishtar) spricht, wird häufig das Eme-sal verwendet, was womöglich auch im Bezug dazu steht, dass diese Göttin im Laufe ihres "Daseins" im sumerischen-babylonischen Pantheon nach oben aufstieg und zu einer der wohl wichtigsten Gottheiten dieser Menschen wurde.
Es gibt Versuche, eine Unterscheidung zwischen "heiliger Sprache" und "weltlicher Sprache" zu bestimmen. Eme-gir wird auch als "männliche Zunge" übersetzt und Eme-sal als "weibliche Zunge". Eme-gir war die "normale" Sprechsprache, die natürlich auch von den Frauen benutzt wurde.
Eme-sal wurde für kultische Gesänge etc. eingesetzt, dass die Frauen im allgemeinen einen eigenen Dialekt benutzten wird nicht vermutet.
Eme-sal ist eine Art weichere Form des Sumerischen ... daher wurde diese Sprache auch für Gesänge, Gedichte etc. gerne eingesetzt, oder um einen romantischen Aspekt zu betonen. Eme-gir und Eme-sal können natürlich auch gemeinsam in einem Satz benutzt werden.

Beispiele:
http://etcsl.orinst.ox.ac.uk/cgi-bin/etcslemesal.cgi

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Bis zum 20. Jhr. v.u.Z. war das Sumerisch Alltagssprache, dann fing es an auszusterben. Emesal, eine Sprachvarietät des Normalsumerischen, hingegen war wohl ursprünglich eine Form der Sprache, die vor allem in Verbindung mit Begräbnisfeiern stand.
Erst ab dem ausgehenden 3. Jt. v.u.Z. ist diese Sprachvarietät auch textlich nachvollziehbar. Zu diesem Zeitpunkt gehörte es allem Anschein nach nicht mehr zur Alltagssprache, da Emesal ausschließlich in literarischen Texten begegnet. Reflexe des Emesal als "Frauensprache" finden sich dabei in Reden der Göttinnen, ab einem unbestimmbaren Zeitpunkt wurde es bis ins 1. Jh. v.u.Z. nur noch in kultischem Kontext vorgetragen und von einer bestimmten Priesterart (gala/kalû) beherrscht.

Normalsumerisch und Emesal sind nur in geschriebener Form erhalten und weisen eine jahrhundertelange Verwendung auf, wobei Emesal nur in literarischen Texten belegt ist. Für das Normalsumerische müssen wir uns ganz grundlegend bewusst sein, dass gesprochene „Alltags-sprache“ nicht zu greifen ist.

Emesal, „feine Sprache“, ist eine phonologische Sprachvarietät des Normalsumerischen. Da es eine phonologische Sprachvarietät des Normalsumerischen bei gleicher Grammatik ist, beschränkt sich die Verwendung des Emesal auf einzelne Wörter innerhalb eines normalsumerischen Textes. Emesal wurde nur in literarischen Texten mit religiösem Charakter verwendet.
Dazu zählen zunächst mythologische und hymnische Texte, in denen Göttinnen in Eme-sal reden, und die sogenannten „Städteklagen“, deren Funktion im Aufarbeiten historischer, durch göttliche Abkehr verursachte, Stadtzerstörungen lag. In viel größerem Maße findet sich Emesal außerdem in bestimmten Kulttexten, mit denen der befürchtete Verlust göttlicher Gunst abgewendet werden sollte. Texte in Emesal wurden seit dem Ende des 3. Jts. v.u.Z. bis weit in das 1. Jt. v.u.Z. hinein tradiert, wobei sich die in Emesal verfassten Textgattungen im Laufe der Zeit als weniger veränderlich erweisen als die sumerischen Textgattungen.
Das Corpus der Emesaltexte beläuft sich im 2. Jt. v.u.Z. auf Hunderte von Texten, im 1. Jt. v.u.Z. auf Tausende. Für einige Emesaltexte können Originalversionen in das 20.Jh.v.u.Z. datiert werden, sie dürften demnach gerade noch in die Zeit des Normalsumerisch fallen. 

Als Beispiel eine Passage aus einem „Harfen-/Trommellied“, einem Balag mit dem Titel „Das Haus stöhnt, ich stöhne mit ihm“. Die vom Normalsumerisch abweichenden Emesalformen sind unterstrichen.
Kolumne ii:
39. „Auf mein Schatzhaus sind Erdmassen geschüttet, (es ist mit) Erdmassen bedeckt!
40. Mein Schatzhaus haben die Sedimente des Flusses umgeben!“
41. „Fürstin – ach, ihr Herz, ach ihr Gemüt!“
42. Mein Herz, das Weinen und Seufzen bedrücken!
43. „Meine Gasanisina, die das Weinen um die Stadt Isin bedrückt!“

Die Göttin Gasanisina wird als „Herrin der Stadt Isin“ identifiziert.
Wir dürfen annehmen, dass es die sogenannten Klagepriester waren, die Texte wie diesen rezitierten, und diese Priester waren als Sprecher Stellvertreter einer menschlichen Gemeinschaft. 

Unabhängig davon, dass diese Texte in Emesal letztlich in der Realität immer von einem oder mehreren menschlichen Rednern vorgetragen werden mussten, zeigt die rein sprachliche Ebene, dass unter den Göttern zumindest die Göttinnen Emesal sprachen. Wo männliche Götter mit Menschen sprechen, sprechen sie auf Normalsumerisch.
Wo Inanna, Kriegs- und Liebesgöttin und mächtigste überregional agierende Göttin überhaupt, als Frau spricht, verwendet sie Emesal. Wo sie in ihrem machtpolitisch-kriegerischen Aspekt spricht, verwendet sie dagegen Normalsumerisch.

In einen zwischengöttlichen Dialog in der „Klage über die Zerstörung von Ur und Sumer“ wendet sich in den Zeilen 340–356 der Stadtgott von Ur, Nanna-Suen, an seinen Vater, den Götterherrscher Enlil. In seiner Klage über das katastrophale Schicksal seiner Stadt und seiner Bitte, Gnade walten zu lassen, spricht Nanna-Suen nicht ein Mal Emesal. Wie in anderen zwischengöttlichen Gesprächen ist auch hier Normalsumerisch Kommunikationssprache. Enlil antwortet seinem Sohn auch auf Sumerisch, allerdings rutschen ihm zu Beginn seiner Antwort ein, zwei Wörter in Emesal heraus.

Z. 361: „Die heimgesuchte Stadt – ihr Inneres ist Seufzen, das Rohr der Trauer wächst (dort).“; 
Z. 361a  „[Ihr Inneres] ist Seufzen, das Rohr der Trauer wächst (dort).“.


Auch im 1. Jt. v.u.Z. wurde Normalsumerisch zwar durchaus erlernt, zu diesem Zeitpunkt war es jedoch fest etablierte Fachsprache, unverstanden von der Normalbevölkerung und verwendet im gelehrten Umfeld. Sumerisch scheint jedoch nicht erlernt worden zu sein, um neuartige, komplexe Texte jeglicher Art zu verfassen, sondern um altbekannte Texte zu tradieren und das Sumerische in Form von Fachbegriffen in jegliche Art von akkadischen Fachtexten einzustreuen. Diese Wortzeichen sind also Fremdlinge, die beim Sprechen in das Akkadische umformuliert werden müssen.

aus: 2014_Was reden die da? Sumerisch und Emesal zwischen Alltag und Sakralität
von Anne Löhnert

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